Samstag, 26. Oktober 2013

TORTOUR Challenge - Aufhören heisst nicht Aufgeben

Wie einige unter euch inzwischen wissen, ist es meistens kein gutes Zeichen, wenn ich lange nicht über meine Wettkämpfe schreibe...
Ähnlich wie vor einem Jahr an der Ironman 70.3 WM in Las Vegas, erging es mir nämlich dieses Jahr an meinem "Saisonhöhepunkt" - der Tortour. Fast ein Jahr Training, fast ein Jahr Vorfreude. Mit einem ernüchternden Resultat.

[Vorfreude herrscht]

Der Prolog
Das Rennen startete am Donnerstag, 15.August mit dem Prolog. Eine 1km lange bzw. kurze Strecke mit einer anständigen Steigung. Diesen Kilometer absolvierte ich als Zweitschnellste meiner Kategorie, was mich durchaus positiv stimmte.

Erste Phase des Rennens
Die Startzeit um ca halb Eins am Morgen war für Kopf und Körper eine ziemliche Herausforderung. Vorher Schlafen geht schlecht, man ist nervös und vorfreudig zugleich. Es gelang mir trotzdem noch ca. 2h zu Schlafen, was gut tat, denn so kam ich ziemlich entspannt an den Start.

Da der erste Teil des Rennens über eine flache Strecke führte, war ich mit meinem Zeitfahrvelo am Start. Ich wusste nicht genau wie das wird, noch nie bin ich im Training mein TT Bike länger als rund 140km gefahren... Weder der Rücken, noch der Nacken waren aber ein Problem, ich fühlte mich sehr wohl und auch die Dunkelheit machte mir erstaunlich wenig zu schaffen.

[Timestation 1]

So kam es dann auch, dass ich viel zu schnell startete. Das Tempo in der Fläche von Schaffhausen bis nach Chur war in etwa das, was ich in einem Halbironman Rennen fahren würde - dort ist aber nach 90 Km fertig. Beflügelt durch das gute Gefühl kam ich auch nicht auf die Idee ich könnte zu schnell sein.

In Chur wechselte ich dann vom TT aufs Strassenvelo - also nach gut 180Km - gönnte mir zum ersten Mal eine kurze Pause, wechselte mein Trikot und ass etwas Festes.
Insgeheim wusste ich, dass nun für mich eine der schwierigsten Etappen (Nr. 4) folgen sollte. Die 63 Km von Chur nach Disentis waren flach steigend. Ich konnte weder Tempo bolzen wie in der Fläche, noch gescheit Klettern. So kam es auch, dass ich in Disentis mehr als geplant kaputt war und schon wieder Essen musste. Der Aufstieg und damit die erste Bergetappe auf den Oberalp ging gewohnt gut, wenn auch etwas gemächlich, da ich erst verdauen musste. Dann änderte sich alles ziemlich rasch...

[Chur - Disentis]

Zweite Phase des Rennens
Auf der Abfahrt des Oberalps fühlte ich mich zuerst ein wenig schwach und unkonzentriert, dachte mir aber nichts dabei. Nur wenige Kurven vor Andermatt erschrack ich, weil mein Velo plötzlich in eine andere Richtung fuhr als ich dachte - ich war für eine Sekunde eingeschlafen. Und zwar direkt vor einer Kurve. Der Schrecken sass tief, ich konnte gerade noch meine Richtung korrigieren um nicht auf die Gegenfahrbahn zu kommen. Das selbe passierte auf einer der letzten Kurven gleich nochmals.

Etwas zittrig und ziemlich von der Rolle stieg ich in Andermatt unplanmässig vom Rad. Ich hatte erst auf dem Susten eine längere Pause vorgesehen, konnte aber keinen Meter mehr weiter fahren, auch wenn die Beine noch so gut zwäg waren.
Die Pause zog sich in die Länge. Im Team kam die Frage auf, wie sinnvoll (/sicher) eine Weiterfahrt ist, in diesem Zustand. Selbstverständlich kam eine Aufgabe nach gerade mal 255 Kilometer für mich nicht in Frage. Nach fast 45' Pause, langem Diskutieren, Essen, WC & Dösen ging es dann doch weiter. Wenn auch langsam, sehr langsam - aber es ging weiter.

In Göschenen war ich dann wieder einigermassen beisammen und konnte am Susten endlich wieder bergauf fahren. Ich freute mich, oben "Frau RAAM, Trix Zraggen" anzutreffen. Dieser erzählte ich von meinem Sekundenschlaf, worauf sie mir das wohl leckerste Red Bull ever spendierte. Trotzdem musste ich auf dem Susten nochmals eine kurze Pause machen. Ab da war mir klar, dass es mehr als knapp wird mit der Zeitlimite.

[Miss RAAM Trix Zraggen]

Dritte Phase des Rennens
Es war zum einen demotivierend zu sehen wie viel Zeit ich gesamthaft mit meiner Kriese verlor, zum anderen versuchte ich es als Ansporn um einfach weiterzukämpfen zu sehen. Ich kämpfte mich also nach Sachslen zur 4. letzten Timestation. Dann stand der Glaubenberg an, auf den ich mich schon seit dem Susten freute. Nochmals bergauf würde mir gut tun. Und das tat es auch. Ich konnte gleichmässig und in einem akzeptablen Tempo hochfahren. Nicht schnell, aber konstant.
In diesem Teil des Rennens war ich fast 19h unterwegs und hatte keine Sitzprobleme, keine sonstigen physischen Beschwerden und fühlte mich auch sonst sehr ausgeglichen. Auch war die Müdigkeit weg, obschon gerade am Glaubenberg die Dämmerung wieder einsetzte. Bei der Ab- und Weiterfahrt Richtung Sempach wurde es dann richtig Nacht.

[Glaubenberg]

Dann - etwa 10 Km vor der 3. letzten Timestation - erhielt meine Crew den Anruf der Rennleitung, die letzten 3 Timestations seien nun geschlossen. Hiess: OUT OF TIME

Eine herbe Niederlage. Ich war in diesem Moment einfach enttäuscht und eine Weiterfahrt hatte plötzlich keinen Sinn mehr. Ich war an diesem Rennen gestartet um es zu finishen. Ausserhalb der Wertung ins Ziel zu kommen, setzte ich in diesem Moment der Enttäuschung, mit einem DNF gleich. Ich setzte mich ins Auto. Ruhig und kontrolliert, aber niedergschlagen.

Schon wenige Minuten im warmen Auto sitzend, konnte ich sehr genau sagen, was die eigentliche Niederlage war. Mir ging es physisch und psychisch gut, ich konnte mich von meiner Müdigkeitskriese erholen und hätte die fehlenden 130km noch absoliveren können, "durfte" es aber nicht. Sicherlich hätte ich das auch ohne Zeitwertung tun können. Aber das wäre nicht das gleiche gewesen. Alles wäre halb so traurig gewesen, wenn ich keine Kraft mehr oder gesundheitliche Probleme gehabt hätte.

Die Zeit danach
Schon sehr früh (nämlich am Morgen danach) war klar: jetzt erst recht, ich werde 2014 wieder an dieser Startlinie stehen!
Ich bin nicht der Typ Mensch, die solche Sachen gerne auf sich liegen lassen. Und deshalb werde ich diese offene Rechnung im kommenden Jahr begleichen.