Sonntag, 17. August 2014

Winner TORTOUR Challenge 2014 - wenn Träume wahr werden






Um ehrlich zu sein, weiss ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Noch immer gehen mir viel Gedanken durch den Kopf. Da ist Erleichterung, Freude und Zufriedenheit.
 
Die Tortour Challenge im letzten Jahr war mir in sehr schlechter Erinnerung. Da spielte es keine Rolle, dass das Wetter letztes Jahr perfekt gewesen wäre. Ich konnte mein Rennen nicht finishen und war lange, sehr enttäuscht über diese Niederlage. Normalerweise wusste ich mich richtig einzuschätzen, aber 2013 muss ich mich wohl geirrt haben.
Diese Emotionen versuchte ich zu sammeln und als Antrieb für meinen zweiten Versuch zu nutzen.
Auch während dem Rennen war zu jedem Moment klar, was auch kommen mag, ich werde dieses Rennen finishen. Dies trieb mich an, das motivierte mich und gab mir den nötigen Biss, den es für eine solche Art Rennen benötigt.



Als Siegerin des Prologes durfte ich als Erste um Punkt 01.00 Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag starten. Dies führte dazu, dass ich von Anfang an "die Gejagte" sein sollte. Ich versuchte mich durch diese Rolle nicht beirren zu lassen. Aber das Gefühl an der Spitze eines Rennens zu sein fühlt sich immer grossartig an - trotz dem Druck.
Die erste Timestation in Kreuzlingen passierte ich wie geplant und auch bei der Zweiten kam ich in meiner prognostizierten Zeit an. Bei meinem kurzen WC-Stopp bemerkte ich, wie eine Fahrerin  mich überholte.
 
 
 
Auf der 3. Etappe von Oberriet nach Chur brach ich etwas ein, ohne genau zu wissen wieso. Ich konnte einfach das Tempo nicht dort halten, wo ich sollte. Im Nachhinein sehe ich, dass dies wohl mit der Uhrzeit zu tun hat. Es müsste circa halb 6 in der Früh gewesen sein. Nicht gerade die Uhrzeit, an dem der Körper am leistungsfähigsten ist.
Als ich kurz vor Chur meine Mitkonkurrentin aber wieder sah, war ich beruhigt und fuhr bis zur Timestation in ihrer Nähe. Überholen wäre möglich gewesen, ich wollte mich aber lieber etwas schonen. In Chur ass ich zum ersten Mal etwas Richtiges und trank einen Kaffee. Unbemerkt hatte mich während dieses Frühstückshalts eine weitere Konkurrentin überholt. In der nächsten Etappe von Chur nach Disentis hatte ich beide wieder ein- und überholen können. Was wieder ein ganz tolles Gefühl war und mir Sicherheit gab. Denn die Berge - mein Lieblingsgebiet - kamen nun erst.
 
 
 
Nach der Timestation Disentis und gefahrenen 246 Kilometer stand der Oberalp an, wo es ab dem oberen Teil grässlich zu regnen begann und auch für die nächsten paar Stunden nicht mehr ganz aufhören sollte. Von Realp aus ging es dann über die Furka, die mir eigentlich sehr liegt und die ich bereits am Granfondo Sangottardo ganz gut hoch kam. Oben an der Timestation kam dann der erste Schneeschauer. So setzte ich mich ins Begleitfahrzeug, wo mir in Windeseile zig Kleider angezogen wurden, sodass ich zum einen warm, zum anderen aber auch wasserdicht eingepackt nach Gletsch hinunter fahren konnte. Ich fuhr noch einige Kehren des Grimsel hoch mit allen Kleidern, da ich derart fror...
 
 
 
Auf dem Grimsel sollte es wieder schneien - Also alle Schichten wieder anziehen! Auf der Abfahrt nach Meiringen wurde das Wetter dann etwas besser und in der Ebene angekommen, konnte ich das dicke Trikot und die Regenjacke wieder im Auto verstauen. Der Halt an der Timestation in Sachseln ging rasch, denn ich wurde vom Team informiert, dass die Zweitplatzierte relativ dicht hinter mir war. Und da der nächste Abschnitt von Sachseln nach Sempach mehrheitlich flach sein würde, hatte ich auch keinen Berg-Vorteil mehr.
Bereits in Hergiswil holte mich dann der nächste Regen und starke Windböhen ein. Ich liess erst gar nicht eine schlechte Stimmung aufkommen, denn dies hätte das ganze nur schlimmer gemacht. Ich wollte einfach dieses Rennen fahren, völlig ungeachtet der Witterungsbedingungen. Zu diesem Zeitpunkt begann mir sowieso etwas anderes viel mehr Angst zu machen. Das Knie schmerzte mit jedem Kilometer mehr und ich konnte fast keine Kraft mehr aufs Pedal bringen. Ein kurzer ungeplanter Halt, ein paar aufmunternde Worte der Crew und ein KitKat halfen da schon ungemein und ich setzte die Fahrt einfach in meinem Rhythmus fort.
An dieser Stelle - nach rund 400 Kilometern - gilt zu sagen, der Allerwerteste ist das kleinste Problem. Wer fleissig Kilometer im Sattel gemacht hat, spürt dort eigentlich noch keine Schmerzen. Viel mehr sind Rückenprobleme, steife Schultern und Fussgelenke ein Problem. Aber auch diese Dinge kann man erstaunlich lange ignorieren, wenn man langsam realisiert, man kann ein Rennen nicht nur finishen, sondern sogar gewinnen!
Die Zeit wurde langsam knapp (an der Tortour Challenge haben Frauen gleich viel Zeit wie Männer). An der Timestation gab es dann die wohl beste Instant-Suppe und Sandwich meines Lebens (Merci Nadine!). Erstaunlich wie glücklich einen plötzlich ganz alltägliche Dinge machen.... Doch im nächsten Moment sehe ich meine Mitstreiterin in der Timestation ankommen und der Kampfeswille ist entflammt. Ich beende meinen Halt rasch und sehe zu, dass ich vor ihr auf die nächste - und zweitletzte - Etappe gehe. Gerade mal 2 Kilometer später muss ich wieder halten, es giesst plötzlich wieder wie aus Kübeln! In dem Moment wurde ich wieder überholt. Man merkt wie der Kampf um Platz 1 und 2 nun wirklich in seine letzte Runde ging. Ich schloss rasch wieder zu ihr auf und wich nicht mehr von ihrer Seite. Insgeheim spekulierte ich, mit ihr zusammen zu fahren und zu versuchen an der nächsten Steigung eine Lücke heraus zu fahren. Dies war nicht mehr nötig, denn um 20.30 Uhr musste sie sich von ihrer Crew die vorgeschriebenen Lampen montieren lassen, was einen Halt ihrerseits erforderte. Meine Crew hatte mir meine Beleuchtung beim letzten Stopp in Sempach bereits montiert. Dabei sieht man, wie entscheidend solche Details sein können!
Ich versuchte von diesem Zeitpunkt an, möglichst nicht mehr nach hinten zu schauen, sondern einfach meinen Tritt zu finden und das Ding zu Ende zu fahren. Im Hinterkopf hatte ich aber immer, dass noch 2 Hügel auf mich warteten, die ich irgendwie hinter mich bringen musste. Dank einer Erkundungsfahrt wusste ich genau, wo es lang ging und konnte mich entsprechend darauf einstellen. Zu diesem Zeitpunkt schaut man nicht mehr auf die Geschwindigkeit. Am Aufstieg zum Hertenstein fuhr ein Marshall an mich heran und begann mich über mein Befinden zu fragen. Eine willkommene Ablenkung! Das selbe sollte sich später nochmals wiederholen.
 
Die Timestation in Glattfelden durfte gemäss Rennleitung "überfahren" werden, sodass wir erst in Schaffhausen unterschreiben müssten, um zeitlich im Limit zu bleiben. Von diesem Zeitpunkt an galt es also noch 50 Kilometer zu schaffen und ich hatte es tatsächlich geschafft. Was bei einer Trainingsfahrt wenig ist, war zu vorgerückter Stunde unendlich lang. Wegen den Schmerzen in Knien und Rücken musste ich immer wieder aus dem Sattel und hatte einen sehr unregelmässigen Rhythmus. Aus dem Begleitfahrzeug wurde ich nun wieder öfters nach meinem Befinden gefragt. Das hilft enorm, denn schliesslich will man keine Schwäche zeige, also 'geht's gut', obwohl man fast vom Rad fällt.
 
Dann auf den letzten Kilometern vor der letzten Timestation in Schaffhausen kommen alle Emotionen hoch. Man weiss, man hat es tatsächlich geschafft. Das Rennen gegen sich selber, gegen die Uhr, gegen das Wetter und gegen die Konkurrenz! Um 01:54 in der Nacht zum Samstag unterschrieb ich in Schaffhausen und war damit offiziell Finisherin und Siegern der Tortour Challenge in der Kategorie Solo Women!
 
 
 
Das wahr das mit Abstand schönste Erlebnis in meiner sportlichen Karriere, dass ich erleben durfte. Ich habe sehr hart dafür gearbeitet und umso schöner fühlt es sich nun an, dafür belohnt zu werden.
Es ist mir unendlich wichtig an dieser Stelle meinem Supporter Team nochmals DANKE zu sagen. Bei einer solchen Art Wettkampf, kommt es bei weitem nicht nur auf die Beine an. Es muss alles passen. Auch wenn der Körper noch so fit und der Kopf parat ist, nur mit einem so tollen Team war es mir möglich, diese Leistung zu erbringen.
Auch möchte ich meinen Eltern danken, dass sie mich an der Strecke unterstützt haben und im Ziel mit mir den Moment geniessen konnten. Danke.
 
 
 
Nun könnte ich wahrscheinlich noch endlos weiter schreiben, denn das war nur ein Bruchteil meines Erlebnisses.
 
Ich bin glücklich und zufrieden. Wie das aber bei Athleten so ist, folgt auf den Erfolg die Leere. Versteht mich nicht falsch, das meine ich keineswegs negativ. Es ist ein wunderbares Gefühl etwas erreicht zu haben und dieses Gefühl voll auszukosten! Aber schon sehr bald kommt die Frage: "und was nun?"